Interview: Viele Wege führen an die IU

Im Dialog mit Volker über Musik, Jugendhilfe im Vollzug und seine Professur der Sozialen Arbeit

Volker hat seinen Wissenstank im Laufe seiner beruflichen Karriere ordentlich aufgefüllt, denn lebenslanges Lernen ist bei ihm Programm. Grund genug, seine Erfahrungen und sein breites Wissen im Feld der Sozialen Arbeit nun an die nächste Generation weiterzugeben. Im Interview berichtet er, warum ihn die Rastlosigkeit immer wieder vorantrieb und wie auch ein nicht rein akademischer Werdegang zu einer Professur führen kann.

 

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Wer bist Du und was machst Du an der IU?

Die Frage nach dem „Wer bin ich?“ ist sehr spannend, denn man agiert in verschiedenen Lebensbereichen in ganz unterschiedlichen Rollen, die letztendlich in der Antwort auf diese Frage zu einer Identität integriert werden müssen. Ich starte mal mit den demografischen Merkmalen über mich. Ich bin Volker Krause, 53 Jahre alt, verheiratet, habe zwei erwachsene Kinder und komme aus Gera in Thüringen. Mein beruflicher Schwerpunktbereich ist meine derzeitige Professur für Soziale Arbeit an der IU. In meiner Freizeit dreht sich viel um das Thema Musik, ich habe eine zehnjährige musikalische Ausbildung absolviert und spiele seit 30 Jahren Gitarre in einer Rockband. Auch bin ich sportlich aktiv, wobei ich nicht auf eine Sportart festgelegt bin. Aktivität und Rastlosigkeit kennzeichnen mich als Person, nur auf der Couch liegen kann ich einfach nicht. Ich würde mich zudem als neugierig, wissbegierig und harmoniebedürftig beschreiben.

Was hat Dich dazu bewegt das zu tun, was Du heute tust?

Ich bringe nicht den typischen akademischen Werdegang mit und man kann sagen, dass meine berufliche Biografie das Ergebnis einer mir inhärenten Rastlosigkeit ist. Meine praktischen Tätigkeiten und meine (Weiter-)Bildungen haben sich im Laufe der Zeit gegenseitig bedingt und eine spezifische Dynamik entwickelt.
Ganz ursprünglich habe ich mal im Bereich der Elektronik gelernt. Nach meiner Ausbildung hat der mit der deutschen Wiedervereinigung verbundene Strukturwandel meine berufliche Biografie jedoch zunächst ganz schön durcheinandergebracht, denn ich wollte im Anschluss mit einem entsprechenden Studium aufbauen. Allerdings war der von mir gewählte Studiengang zu dieser Zeit schlichtweg nicht mehr verfügbar. So bin ich dann eher zufällig in den Bereich der Sozialen Arbeit gerutscht und war anfangs vorrangig als Gitarrenlehrer in einem Jugendzentrum in Gera tätig. Da ich die Kombination aus Musik und Arbeit mit Kindern ziemlich cool fand, konnte ich mir eine berufliche Zukunft im sozialen Bereich gut vorstellen und absolvierte eine Ausbildung zur Fachkraft für Soziale Arbeit. Hierbei wurde ich für die theoretische Vielfalt des Feldes sensibilisiert und gleichzeitig angeregt, mein theoretisches Wissen konsequent zu erweitern. So ging mein Lern- und Entwicklungsweg weiter, welcher auch bis heute nicht abgeschlossen ist. Es folgten berufsbegleitend ein Diplomstudiengang der Sozialpädagogik / Sozialarbeit an der Hochschule Merseburg, ein Masterstudium im Schwerpunktbereich Gemeindepsychiatrie an der Hochschule Fulda, Berufstätigkeiten im Bereich der Jugendberufshilfe und später im Jugendstrafvollzug sowie die Promotion zum Doktor der Philosophie an der Universität Kassel.

 

Die Arbeit mit den straffälligen Jugendlichen war bisher meine spannendste Station, nicht zuletzt, weil ich dort auch forschen durfte, was in geschlossenen Institutionen häufig schwer zu realisieren ist. Die ambivalente Lebenswelt „Vollzug“ hat mich ungemein interessiert. Gegenstand meiner qualitativen Forschung war unter anderem auch die Analyse der vielfältigen Beziehungsdynamiken zwischen den Inhaftierten und auch den Mitarbeitenden der verschiedenen Professionen der Jugendstrafvollzugsanstalt. Super interessant kann ich euch sagen!

 

Im letzten Jahr habe ich dann irgendwann eine Ausschreibung für eine Professur an der IU gesehen. „Wieso nicht?“, dachte ich mir. „Die Weitergabe meines Wissens kann andere möglicherweise bestärken.“ Und nun bin ich seit Oktober 2021 an Bord. Die Arbeit finde ich sehr bereichernd. Aus öffentlichen Institutionen kommend war ich insbesondere von der Flexibilität und dem Tempo bei den vielfältigen unternehmerischen Entscheidungen und bei deren Umsetzung beeindruckt.

Was würdest Du heute Deinem jüngeren Selbst empfehlen?

Gar nicht so viel, denn ich schätze die Gestaltungsmöglichkeiten meines Lebenswegs als durchaus privilegiert ein. Auch aus heutiger Sicht würde ich versuchen, in ähnlicher Art und Weise mein Leben zu gestalten. Ich bin in eine günstige Zeit hineingewachsen, in der sich für mich viele Türen und damit auch Chancen öffneten. Ok, gelegentlich habe ich auch die ein oder andere ungünstige Entscheidungen getroffen, aber in der Gesamtbilanz meine ich, dass alles optimal gelaufen ist.

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Und was gibst Du Deinen Studierenden für ihr eigenes Leben mit?

Die Vielfalt des Lebens zu genießen und die Möglichkeiten, aus verschiedenen Alternativen wählen zu können, als Chance wahrzunehmen. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint, man sollte Dinge auch mal aus verschiedenen Perspektiven betrachten und sich dabei ausprobieren!

Was sind die größten Herausforderungen in Deinem Arbeitsalltag für Dich?

Ich befinde mich noch in der Anfangsphase als Professor und lerne daher stetig dazu. Meine größte Herausforderung ist es, Lehrveranstaltungen so zu gestalten, dass darin mein Verständnis von Bildung umgesetzt wird. Bildung ist für mich ein transformatorischer Prozess und damit mehr als reiner Wissens- und Kompetenzerwerb. Vielmehr sollte Bildung zu einer Veränderung des eigenen Verhältnisses zur Welt und zu seinem Selbst führen. Dazu gehören durchaus auch Verwirrungen und Verstörungen. Bestehende Denkmuster müssen dabei dekonstruiert werden, was sich nicht immer als ein harmonischer Prozess darstellt. Die Gestaltung einer angemessenen Form der Initiierung solcher Verwirrungen stellt für mich eine der größten Herausforderungen bei der Gestaltung der Lehrveranstaltungen dar.

Durch die Pandemie wurde das Präsenzstudium im letzten Winter auf remote Lösungen umgestellt. Die damit verbundenen methodischen und didaktischen, aber auch technischen Herausforderungen forderten Einiges von mir ab. Ich war sehr froh, dass es vonseiten der IU vielfältige Unterstützungen gab. Insbesondere standen mir dabei meine Kolleg:innen am Standort – allen voran mein Mentor – mit Rat und Tat zur Seite.

Welches Buch liest Du oder welchen Podcast hörst Du gerade?

Aktuell sind meine bevorzugten Podcasts von Maria und Matthias Kleimann »Scheiße gebaut?! Der Jugendrecht Podcast« sowie von Nils Köbel und Patrick Breitenbach »Soziopod«. Darüber hinaus lese ich gerade das Buch »Macht und Gewalt« von Hannah Arendt.

Was kannst Du mit uns teilen, was Deine Kolleg:innen bisher nicht von Dir wussten?

Ich schätze, für die meisten ist fast alles aus diesem Interview recht neu. Dass ich seit 30 Jahren Mitglied einer Rockband bin, ist vermutlich die größte Neuigkeit 😉.

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