Forschung an der IU: Teil 1/3

Wie lassen sich Lehre und Forschung vereinen?

Die meisten Lehrenden brennen für das Thema Forschung. Im Arbeitsalltag bleibt dafür neben der Lehre oft wenig Zeit. Die IU Research Incubators wurden seitens der IU ins Leben gerufen, um neben der Lehre Möglichkeiten für Professor:innen zu schaffen, Forschungsprojekte zu betreiben. In unserer Reihe „Forschungsprojekte an der IU“ möchten wir drei Projekte genauer beleuchten und vorstellen. Den Start machen Prof. Dr. Emra Ilgün-Birhimeoğlu und Prof. Dr. Michaela Quente, die uns Einblicke in ihr Forschungsprojekt Elementarpädagogik und Rassismus – Explorative Erkenntnisse und Grundlagen für die Erforschung von Rassismuserfahrungen von Familien zur Verwertung für die frühkindliche Bildung geben. Beide arbeiten als Professorinnen für Soziale Arbeit an der IU.

 

Die IU Research Incubators sind institutionalisierte Anschubfinanzierungen und richten sich an Forschende, die eine Forschungsidee entwickeln sowie vertiefen möchten und hierfür Zeit und Ressourcen brauchen, um größere Publikationen, Produktentwicklungen oder Drittmittelanträge voranzutreiben.

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Wir möchten verstehen, wie Familien mit Rassismuserfahrungen umgehen: Bewusst oder unbewusst? Bereiten Familien ihre Kinder auf etwaige Rassismuserfahrungen vor? Werden zum Beispiel Bücher gelesen oder Orte besucht?
Prof. Dr. Emra Ilgün-Birhimeoğlu
Professorin für Soziale Arbeit an der IU

Liebe Emra und Michaela, auf der Suche nach spannenden Interviewpartner:innen sind wir über die IU Research Incubators auf Euer Forschungsprojekt gestoßen. Sicherlich gibt es eine Vorgeschichte wie es zum Forschungsprojekt und zur Bewerbung kam, möchtet Ihr uns diese kurz erzählen?

Emra: Sehr gerne. Ich schlage vor, dass wir uns als Personen zum Start kurz vorstellen. Mein Name ist Emra, ich bin Professorin für Soziale Arbeit in Dortmund mit dem Fokus auf Migrations- und Rassismusforschung. Ich war nach meinem Abschluss zur Diplom-Pädagogin in unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit, wie zum Beispiel in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, der Migrationsberatung sowie in einer Migrantinnenorganisation tätig. An der IU arbeite ich seit 2017 und gehöre somit zu den Dienstälteren. Mein Weg führte mich vom Campus Düsseldorf nach Dortmund, wo ich seither unterrichte und forsche.

 

Michaela: Ich bin Michaela und im November 2019 aus einem Forschungsprojekt der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster an die IU gewechselt, dort habe ich zum Themenfeld der sexualisierten Gewalt gearbeitet. Ich lehre im Fachbereich der Sozialen Arbeit mit dem Schwerpunkt im Bereich qualitativer Sozialforschung und der Theorien, Konzepte als auch Methoden der Sozialen Arbeit.

 

Wir kamen schon früh ins Gespräch, nicht zuletzt, weil Emra meine Mentorin war und mich Schritt für Schritt eingearbeitet hat. So kam uns beim Teilen unserer Blickwinkel und Erfahrungen in den Sinn, dass wir unsere Schwerpunktbereiche der Migrationsforschung (Emra) und der Geschlechterforschung (Michaela) verbinden und gemeinsam ein Projekt auf die Beine stellen wollten. Wir entdeckten eine Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (kurz BMBF) und bewarben uns auf das Drittmittelprojekt, was leider abgelehnt wurde. Zeitgleich erfuhren wir von den IU Research Incubators. Wir machten also nochmal einen Schritt zurück und setzten dann auf diese Karte – diesmal bekamen wir den Zuschlag. Neben der Lehrverantwortung ist es im Arbeitsalltag gar nicht so einfach, parallel Zeit für Forschungsthemen einzuräumen. Aber wir brennen sehr dafür, daher ist die Möglichkeit des Incubators für uns eine Möglichkeit, mit einer Deputatsermäßigung und einem kleinen Budget, forschend tätig zu sein. Wie wir finden, ein wertschätzender Blick seitens der IU und zudem eine gute Betreuung durch das Forschungsreferat.

Das Projekt gibt es nun seit Oktober 2022 und ist für 1 ½ Jahre angesetzt – könnt Ihr uns Einblicke in das Projekt geben? Was habt Ihr vor? Was ist das Ziel des Projekts?

Emra: Erstens: Verstehen. Wir möchten verstehen, wie Familien mit Rassismuserfahrungen umgehen: Bewusst oder unbewusst? Bereiten Familien ihre Kinder auf etwaige Rassismuserfahrungen vor? Werden zum Beispiel Bücher gelesen oder Orte besucht? Aus Pre-Interviews wissen wir bereits, dass Rassismus in einigen Familien nicht mit den Kindern besprochen wird, Familien versuchen ihre Kinder dadurch zu beschützen.
Daraus ergibt sich dann zweitens: wir wollen aus den Erkenntnissen Handlungsanforderungen für die Praxis ableiten. Was bedeutet das genau für Familien und Einrichtungen, wie Kitas oder politische Bildungseinrichtungen? Wir starten mit einer quantitativen Forschung und befragen betroffene Familien online, darauf folgen qualitative Interviews mit Betroffenen und Leiter:innen von Einrichtungen der Elementarpädagogik. Wir haben bereits sehr gute Kooperationen in dem Feld, worüber wir hoffentlich viele Familien erreichen und zu unseren Forschungsfragen interviewen können. Gerne wollen wir die Thematik auch mit der aktuellen Lehre verknüpfen und interessierte Studierende einbeziehen. Langfristig soll das Projekt aus dem Incubator heraus in ein drittmittelgestütztes Projekt übersetzt werden. Durch die Pre-Studien haben wir dann in Zukunft bessere Chancen bei der Beantragung einer Förderung des Vorhabens.

Gerne würden wir etwas über Euch als Person und Eure Begeisterung für das Thema Forschung erfahren. Was macht Ihr an der IU? Und was macht Ihr, wenn Ihr nicht arbeitet oder forscht?

Michaela: Meine Begeisterung wird getrieben durch Neugierde. Ich forsche seit vielen Jahren, Forschung zieht sich durch meine gesamte Laufbahn, ist mein Hauptmotivator und ich nutze sie stetig zur Übersetzung in die Praxis. Ich versuche Themen nicht in schwarz-weiß zu kategorisieren, sondern möchte Graustufen herausarbeiten. An der Lehre habe ich unheimlich viel Spaß und freue mich, diesen an Studierende weiterzugeben.

Privat verbringe ich viel Zeit mit meiner Familie, meinen zwei Kindern und unserem Hund Floyd, wir beide befinden uns in der Ausbildung zum Therapiebegleithunde-Team. Floyd begleitet mich einmal pro Woche an die IU und ich integriere die Inhalte der Ausbildung Schritt für Schritt im Bereich Tierpädagogik in den Vorlesungen. Ansonsten bin ich sportlich, mache gerne Yoga und fahre gerne mit unserem VW Bulli in den Urlaub.

 

Emra: Ja, Neugierde gehört dazu, das kann ich nur unterstreichen. Mich treibt das Hinterfragen nach gesellschaftlichen Abläufen, viele Menschen leben in schwierigen Lebensverhältnissen. Was trägt dazu bei? Wir sehen Bilder meist nur von vorne, aber was steckt dahinter? Bestimmte Gruppen in unserer Gesellschaft haben einfach andere Voraussetzungen als andere, ich möchte gern durch Forschung und Lehre einen kleinen Beitrag dazu leisten, dem entgegenzuwirken.

Ansonsten lese ich gerne Romane, höre Hörbücher, lerne Saz zu spielen und verbringe viel Zeit mit meinen beiden Töchtern.

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Uns haut so schnell nichts mehr um, wir haben Türen in Welten geöffnet, die uns viele gesellschaftliche Probleme vor Augen geführt haben. Mit unserer täglichen Arbeit - vor allem in der Forschung - und den Themen, die die Soziale Arbeit mit sich bringt, bewegen wir uns jeden Tag außerhalb der Komfortzone.
Prof. Dr. Michela Quente
Professorin für Soziale Arbeit an der IU

Wir sind bestrebt, uns in allem, was wir tun, zu verbessern und arbeiten jeden Tag daran, dies zu erreichen. Wir nennen das an der IU „Growth Mindset“. Wie arbeitet Ihr daran, Eure Komfortzone zu verlassen?

Emra: Hier docken wir mit dem Thema Forschung perfekt an, denn Forschung impliziert ein stetiges Verlassen aus der Komfortzone. Lehre hat mit 18 Semesterwochenstunden eine so hohe Priorität, dass man sich sehr bewusst Zeit nehmen und dranbleiben muss, um nebenbei zu forschen. Die Begebenheiten, mit denen wir uns auseinandersetzen sind zudem keine Sonnenseitenthemen.

 

Michaela: Uns haut so schnell nichts mehr um, wir haben Türen in Welten geöffnet, die uns viele gesellschaftliche Probleme vor Augen geführt haben. Mit unserer täglichen Arbeit – vor allem in der Forschung – und den Themen, die die Soziale Arbeit mit sich bringt, bewegen wir uns jeden Tag außerhalb der Komfortzone.

Wir bedanken uns nochmals sehr herzlich bei Emra und Michaela für die Zeit, die sie sich für dieses Interview genommen haben, aber vor allem für ihre wertvolle Forschungsarbeit und die spannenden Einblicke!

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